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PETRA BUCHEGGER
Projizierte Frauenbilder
Auszug aus 80ig teiliger Diaserie, 2003


FrauSein jenseits von FrauenBildern
oder
ein Stück Theorie geprüft an der eigenen Arbeit
Petra Buchegger


... Bild-Wechsel Ein leicht geöffneter voller Mund, weiße makellose Haut, ein roter SpitzenBH trägt wohlgeformte Brüste, ein ernster, hinaufgezogener Augenbrauen-Blick herausfordernd, kühl, überlegen, trifft direkt und unmittelbar. „Felina Lingerie“, ein Schriftzug in weiß, rechts oben. Eine zweite Frau: in weißer Kittelschürze, schmaler zusammengepresster Mund, ihre Stirn leicht in Falten, mit zweifelnd-kritischem Gesichtsausdruck steckt wie ein Püppchen zwischen dem Busen der schönen Frau.
Bild-Wechsel „Die Liebe, was spielt sie nur für ein seltsames Spiel?“ Schwarze Schrift auf weißem Grund. Darunter eine schlanke elegante Frau in einem bodenlangen schlichten weißen Hochzeitskleid. Ihre Hände zusammengefaltet unter dem Kinn, abstützend auf einem Weidenruten-Besen vor dem Ambiente einer ländlichen Szenerie. Die Kittelschürzen-Frau daneben hält mit ausgestreckter Hand einen Federn-Staubwedel.
Bild-Wechsel Nebeneinander gereiht drei Ledergürtel in den Farben braun, weiß und grün. Pro Gürtel zwei Schnallen. Auf dem mittleren das Bild der Frau in der Kittelschürze. Selbst zum Mode-Accessoires geworden? Bild-Wechsel ...

Eingebettet ist meine Kunst in die feministisch-philosophische Theorie der Italienerinnen, eine seit ca. 20 Jahren bestehende Frauengruppe um den Mailänder Frauenbuchladen und der Philosophinnengruppe Diotima. Ihre Theorie bildet die zugrundeliegende Struktur meiner Arbeit. Darauf baue ich auf, überprüfe mein Denken in der Theorie, und die Theorie wiederum an der eigenen Arbeit, am eigenen Selbst.
Ihre Gedanken ums FrauSein bewegen sich abseits tradierter Wesenszuschreibungen. Die Bedeutung der Mutter für jede Frau haben die Italienerinnen ausführlich bearbeitet und vertieft. Ausgehend von den französischen Strukturalisten, die bereits von einer symbolische Ordnung sprechen, die tiefer reicht als die Ordnung des Realen und des Imaginären, versteht Luisa Muraro das Symbolische feministisch und hat die symbolische Ordnung weitergedacht zur „symbolischen Ordnung der Mutter“ . Sie formuliert die Notwendigkeit einer weiblichen symbolischen Ordnung für Frauen als Bezugsrahmen und Vermittlungsinstanz zur Welt, den Frauen brauchen, um andere, eigene Lebenswege erkennen und leben zu können. Das bedeutet die Erfordernis des Prozesses „Die-Mutter-lieben-Können“, vor allem für ein besseres Verstehen des eigenen weiblichen Selbst und der Gewinnung einer eigenen Orientierungsmöglichkeit. „Indem die Mutter (oder ihr Ersatz) zum Maßstab und zur Autorität wird, ergibt sich für Frauen die Möglichkeit, ihr ‚Körper-sein‘ und ihr ‚Wort-sein‘ in denk- und sagbare Formen zu bringen und einen Wert als ‚Frau an sich‘ zu erhalten.“  
Ohne die symbolische Ordnung der Mutter kann keine weibliche Freiheit entstehen.  Ein wichtiger Schritt, um eine soziale Beziehung zwischen Frauen aufzubauen ist für die Gruppe das „affidamento“, das Sich-Anvertrauen. Ausgehend von der Ungleichheit zwischen den Frauen, die gesehen und benannt wird, kann voneinander gelernt werden, kommt es zur Vermittlung, bzw. führt dieser Austausch über die „weiblichen Differenz“ zum Selbst. Dadurch erst kann Frau sich in Bezug auf Frauen definieren – ausgehend von einer, die ihr gleicht, aber doch anders ist. So besteht die Möglichkeit für Frauen, sich eine eigene Geschichte zu erwerben und sich in der Öffentlichkeit auf die Frauen vor ihnen, auf ihre weibliche Herkunft zu beziehen.  „Weibliche Genealogie ist ein Begriff für diese Geschichte, für die Generationsfolge für Frauen, die als Geschichte von Frauen, die sich auf Frauen beziehen, öffentlich gemacht wird, in die Frauen sich einschreiben und auf die sie sich berufen.“

Ich ziehe mir die Kittelschürze über und schlüpfe somit symbolisch in die Rolle meiner weiblichen Vorfahren – in die Rolle meiner Mutter, Groß- und Urgroßmütter. Über die Reflexion meiner weiblichen Genealogie, über das Nachdenken meiner weiblichen Vorbilder, ihres gelebten Lebens, ihrer Geschichte, ihrer geleisteten Arbeit und ihres Selbst für mich trete ich ein in den Prozess des „Die-Mutter-lieben-Können“. Das Bekleiden mit und An(Be)ziehen der Kittelschürze ist eine Handlung auf symbolischer Ebene, ein sich Selbst in Beziehung setzen zur Mutter und mich Selbst in Beziehung zu anderen Frauen wahrnehmen.
In einem zweiten Schritt werden über mich Frauenbilder aus Zeitschriften wie der Playboy, Elle, der Hochzeitsplaner, Frau im Spiegel projiziert. In diesen Frauenbildprojektionen geht es um die alltäglich zur Schau gestellten Bilder in Mode-, Design-, Sex-, Ratgeber- und sonstigen Frauen/Männer-Zeitschriften. Je nach Bild dokumentiere ich das Geschehen durch Gestik und Mimik. Mal nehme ich dieselbe Position der Protagonistin ein, dann wieder beäuge ich verstört das Geschehen, demonstriere Abneigung, Scheu und Neid. Ich unterscheide und identifiziere mich mit der Anders-Artigkeit der Frau, zeige Behagen und Unbehagen, bin integrierter Bestandteil des Bildes und hinterfrage übliche Klischees und Erwartungshaltungen in eigener und fremder Sicht.
Jung, schlank, erotisch und verführerisch – elegant, schön, stilvoll und karrierebewusst – so greife ich in meiner Bilderwelt auf etablierte Frauenbilder, Weiblichkeitsbestimmungen, auf eigene und von außen auferlegte Wunschvorstellungen zurück. Aber ich erweitere diese Bilder. Die Kittelschürze, als Symbol des Alltags und der Realität bildet den mütterlichen Gegenpol im Bild und zeigt die Unmöglichkeit auf, nur eins zu sein oder alles zugleich. Die Absurdität dieser Bilder wird sichtbar. Ich verstöre die tradierten Frauenbilder und öffne damit Freiräume für das eigene Selbst, für die weibliche Differenz.


 Vgl. Luisa Muraro, Die symbolische Ordnung der Mutter, Frankfurt/New York 1993
 Gruppe Chora/Arbeitsgruppe Feministische Freiraumplanung (Hg.), voraus-erinnern. weibliche Vermittlung und einander anvertrauen, Festschrift zum 60sten Geburtstag von Inge Meta Hülbusch, Kassel/Wien 1997, S. 83
 Vgl. LIBRERIA DELLE DONNE DI MILANO, Wie weibliche Freiheit entsteht. Eine neue politische Praxis, Berlin 1988
 Vgl. ebd.
 Gruppe Chora, S. 31


Text erschien im Katalog „Frauenbild – Das Bild der Frau in Kunst und Literatur“ zur gleichnamigen Ausstellung im Landesmuseum NÖ, Literaturedition NÖ, 2003